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Cinnamon Barr
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Kleine Fische

Unsere Kunden, die Dudes, sind meistens stinkreich. Gelegentlich fliegen wir auch mal ein paar Flitterwoechner oder 4-5 arme Schlucker, die jahrelang f�r diesen Trip gespart haben. Eine durchschnittliche Gruppe sind aber 4-6 reiche Amerikaner 40-60 Jahre alt, weiss, maennlich, uebergewichtig und bereit, fuenf Tage hintereinander in einer Huette an einem einsamen, nur mit dem Wasserflugzeug zu erreichenden See, zu saufen. Und fischen tun sie auch ein wenig. Tony's hat sechs Huetten an sechs Seen nahe bei unserem Heimathafen und sechs weitere 200 Meilen noerdlich um unser Sommercamp verstreut. Der Mann der Regentin managt das Sommercamp. Er, Paul, ist um die 65 und Alkoholiker. Er ist einigermassen entspannt und hat ein freundliches Gemuet, wenn er getankt hat ist er allerdings zu nichts zu gebrauchen. Also meistens. Wir Piloten wechseln uns jede Woche da oben ab, fliegen unsere Huetten und die anderen Camps ohne eigene Flugzeuge an. Wir hassen es. Wir schlafen in einer heruntergekommenen Bruchbude. Es ist klein und dreckig, stinkt und wir muessen uns mit Paul und seiner saufenden Trinkfreundin abgeben. Die Touren, die wir fliegen, sind meistens kurz, 15-30 Meilen und da wir pro Meile bezahlt werden, ist der Verdienst schlecht. Das winzige Dorf in der Naehe, Savant Lake, hat nur eine Bar.
Eines Tages flog ich zu diesem kleinen See, Long Lake hiess er, um Koederfische zu laden. Paul hatte irgendwie die stabilen roten Behaelter verlegt und ich musste mit den duennwandigen, durchsichtigen Plastikwasserblasen auskommen. Ich flog gerne dort hin. Aus irgendeinem mir unbekannten Grund war dieser See ein beliebter Versammlungsort fuer Elche. Einmal beobachtete ich neun Stueck gleichzeitig, Bullen, Kuehe und Kaelber. Manchmal fuehrte meine Startbahn direkt auf sie zu und darueber hinweg. Zuerst hoeren sie meine Propeller die Luft zerbeissen, dann sehen sie den Metallvogel und fangen an zu laufen, doch schon fliege ich in 30 Meter Hoehe ueber die Tiere hinweg und lasse sie, verwundert hinter mir herstarrend, zurueuek, wo sie kurz darauf ihrer urspruenglichen Beschaeftigung, dem Fressen saftiger Wasserpflanzen, wieder nachgehen. Der Helfer des Koederfische-Haendlers erwartete mich an seinem Behelfsdock mit all den kleinen Fischen in einem Lebendkaefig im Wasser. Wir fuellen meine Behaelter zu einem Drittel mit Wasser und dann mit Hilfe eines Trichters zu einem weiteren Drittel mit den etwa fingerlangen Fischchen. Zum Schluss rollen wir die Sauerstoffflasche aufs Dock und schiessen durch ein Ventil soviel hinein, dass sich die Waende unter dem Druck nach aussen woelben. Dies ist unerlaesslich, da ansonsten die armen Kreaturen bei meiner Ankunft am Base schon erstickt waeren. Einmal die Woche hole ich die Lebendkoeder, mir gefiel's, da ich auf mich alleingestellt war und mich nicht mit Touristen rumschlagen musste. Bei frueheren Missionen hatte ich allerdings immer die stabilen roten Behaelter dabei. Wir verstauten und vertaeuten 12 von den prall gespannten Blasen hinter meinem Pilotensitz. In jedem tummelten sich ca. 80 Dutzend Fische. Bei einem Dollar fuers Dutzend lohnte sich der Aufwand schon. Der Helfer, Leroy, wollte mich aber so schnell nicht weglassen. Da er alleine in seinem Zelt auf der kleinen Insel fuer sechs Wochen lebte, wuerde er eine Woche lang keine Menschenseele mehr sehen, und dann auch nur mich oder einen meiner Kollegen fuer kurze Zeit. "OK. Leroy, ich muss los. Am Base warten weitere Trips auf mich."
"Ja klar, Mike. Noch vier Wochen, dann bin ich raus hier. Die ersten zwei fand ich toll, weisst du, die Elche kommen manchmal fast bis ans Zelt ran. Und ich hoere die Woelfe oft. Den anderen Tag hab' ich auf einen geschossen, ich hab' das Mistvieh verfehlt, aber den krieg ich noch." "...wenn er dich nicht zuerst schnappt!" foppe ich ihn.
"Oh, das wird er nicht. Ich weiss wie die denken. Beim naechsten Vollmond. Sag' mal, gibt's eigentlich irgendwelche Frauen im Dorf?" Seine Augen wurden glasig.
"Kann ich dir wirklich nicht sagen. Ich war selbst schon 'ne Weile nicht mehr dort. Arbeite von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, esse und leg' mich zum Schlafen hin. Ich hatte seit 43 Tagen keinen freien Tag mehr. Es kotzt mich an."
"Ja, aber wenigstens siehst du Menschen."
"Auch wieder wahr, nur die koennen einem auch auf die Nerven gehen. Egal, ich muss jetzt los." Nun wurde er richtig traurig. Ein schwaecherer Charakter haette vielleicht geweint. Verzweifelt suchte er nach etwas zu besprechen, irgendetwas, um meinen Abflug hinauszuzoegern:
"Du bist sicher, die Behaelter sind richtig festgezurrt?"
"Yupp."
"Dein Vogel fliegt rund? Keine oellecks?"
"Nein. Alles im Lot."
Nun fiel ihm nichts mehr ein. Er zog ein tapferes Gesicht und sagte:
"Na, dann hau' schon ab! Ich drueck' dich vom Dock ab."
Wir drehten die Maschine in den Wind und er hielt sie am Schwanz fest bis ich den Motor zum Laufen gebracht hatte. Ich fuhr zum Ostende des Sees. Eine leichte Westbrise wuerde mir helfen, uns vom Wasser zu heben. Der See war eigentlich nur ein grosser Teich und ich musste alle natuerlichen Gegebenheiten ausnutzen, um die hohen Nadelbaeume am Westende zu ueberfliegen. Ich pfluegte durchs Wasser und half der Cessna auf die Gleitstufe. Die Geschwindigkeit nahm schnell zu. Ich konnte es fuehlen, sie wollte fliegen. Ich begann leicht den Steuerknuepel nach hinten zu ziehen, um die Nase dem Himmel zuzufuehren, als ein gewaltiges -BANG- mir das Herz fast stocken liess. Unglaubliche Gedanken blitzten durch mein Hirn, jetzt ist es also soweit, jetzt hat' mich erwischt, der Motor ist explodiert, bald wuerden mich Flammen umschliessen, ich brenne zu Tode oder halbverbrannt krieche ich aus dem Cockpit, um im See zu ersaufen. Leroy findet nur noch meine verkohlte Leiche oder die Benzintanks gehen in die Luft und beenden meine Existenz in einem gluehenden Feuerball. So jung und schon alles vorbei.
Nein, nein - Buschfliegen ist nicht gefaehrlich, solange du aufpasst wird schon nix passieren, hatten sie gesagt. Warum hatte ich den Buerojob letztes Jahr nicht angenommen? Gleichzeitig reagierte ich und ging vom Gas runter, das Flugzeug nahm an Fahrt ab und ich bereitete mich auf meine Evakuierung vor, um zum Land zu schwimmen. Der Motor lief im Leerlauf rund vor sich hin, also da lag das Problem nicht. Vielleicht hatte ich, trotz meines ueberfliegens beim Anflug einen tueckischen Felsen uebersehen, denn die haben die Angewohnheit, aus tiefem Wasser ploetzlich hochzuwachsen, und hatte ihn mit meinem Schwimmer gestreift. Ich schaue aus dem Fenster, nein, auch nicht, beide schwammen friedlich im See. Dann vernahm ich ein leises, flappendes Geraeusch hinter mir. Ich drehte mich im Sitz und entdeckte die Katastrophe. Eine der Blasen hatte dem Druck nicht mehr standhalten koennen und war geplatzt. Hunderte Fischlein zappelten nach Luft schnappend auf dem Boden und zwischen den anderen Behaeltern. Ich war erleichtert, die Fische teilten dies sicherlich nicht mit mir. Ein paar handvoll huefte ich zusammen und warf sie ins Wasser. Die hatten Glueck. Anschliessend fuhr ich zum Ende des Sees und hob ab. Diesmal ohne ueberraschungen.
An dem gleichen Abend musste ich meinen Vogel saeubern. Der Dockboy weigerte sich vehement, er behauptete es waere meine eigene Dummheit gewesen und ich solle die Suppe selber ausloeffeln. Paul daemmerte mal wieder im Alkoholdelirium und ich konnte ihn nicht dazu bringen, es dem Jungen anzuordnen. Als ich damit fertig war, dachte ich gute Arbeit geleistet zu haben.
Ich sah schliesslich keine Fische mehr.
Drei Tage spaeter begann das Flugzeug fuerchterlich zu riechen, nicht nur der uelbiche fuerchterliche Benzin- und oeloeestank, nein, dies hatte den hundertprozentigen faulenden Duft von verrottendem Fisch. Ich versuchte es einen Tag lang zu ignorieren, hoffend es wuerde von alleine weggehen. Es ging nicht. Ich verbrachte sechs Stunden damit, die Bodenpaneele abzuschrauben und Stueck fuer Stueck die schimmelnden Burschen rauszupicken. Es wurde mir klar, was passiert war. Die Fische hatten solange gezappelt, bis sie in die Spalten fielen und dort verendeten. Ich wusch alles mit Seifenlauge und Wasser und sprayte Deodorant.
Ich spruehte noch weitere fuenf Tage.





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