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MIKE H. KEMPER

Email: herrkemper@aol.com




von
S. Wampman
Das embryonale Eichhörnchen


Und dann war es wieder April.
Er kehrte zurück auf sein Grundstück, zu seinem kleinem selbst gebautem Haus, mitten in Kanada.
Den echten Winter vermied er dort tunlichst.
Zu jung um ein Hippie zu sein, zu alt um sich mit den Punks zu solidarisieren, einer von denen die durch das Loch, zwischen den Sammelbecken der Identitätsfindung Bewegungen, fiel.
Auf sich alleine gestellt.
Aber das „no Future“ der Punks, das begriff er schon, oder meinte es. Die Umwelt ging den Bach runter, Abfangraketen wurden installiert, 99 Luftballons explodierten am Himmel.
Wieso sind die Juden nicht in den 30sigern einfach abgehauen ?
Die Zeichen an der Wand konnten doch nur so interpretiert werden. Einfach den Rucksack packen und losgehen.
Wieso haben die das da nicht gemacht ?
Er sah die Zeichen vom bevorstehendem Untergang Deutschlands und damit auch Europas.
Er musste gehen und trampte von Halifax an der Ostküsten, dem Atlantischem Ozean, quer durch Kanada bis zu Viktoria an der Westküste, dem Pazifik. All die freundlichen Leute die ihn mitnahmen.
„Oh, hi. No, I am from Germany.“
„Oha, you are a Hitler boy, eh?“
Schnell wechselte er Thema.
„Autobahn ?“
„ That must be great ! Mercedes, BMW and Porsche, I love Porsche.“
Die Hitparade des,
„was Kanadier über Deutschland wissen“
ist mit „Oktoberfest“ auf den 3ten Platz auch schon so ziemlich abgeschlossen. Zumindest war das so Anfang der 80ziger.
Anfang April ist es noch immer Winter in North West Ontario. Schnee hält sich hartnäckig im Busch und auf den Feldern.
Morgens, ist der Ofen aus. Bitterkalt ist es dann doch nicht mehr im 4ten Monat des Jahres, das Mensch mitten in der Nacht nach legen muss.
Die erste halbe Stunde setzt er sich neben den Holzofen. Mit einem Bettlaken ist der Durchgang zwischen der Küche und dem Wohnzimmer unterteilt. So wird das Zimmer schneller warm. Erst nachdem das Eine schön gemütlich, so 28 Grad oder so, ist,lässt er die warme Luft auch weiter ins Arbeits -und Badezimmer. Bei minus 30 kann er ca. eine Minute nackt auf den Stufen der Veranda in den Schnee pinkeln, aber dann, von jetzt auf gleich, prickelt und brennt die Haut. Die schützende, wenige Millimeter dünne Wärmeschutzschicht wird überall gleichzeitig überwunden und durchbrochen, großflächig zerstört und die Haut reagiert mit stechendem Schmerz und er flüchtet zurück ins innere. Das macht schon Spaß, diese Herausforderung.
Den Ofen anfeuern ist das erste nach der Rückkehr. Einen zumindest kleinen Vorrat an trockenem Feuerholz liegt, genau hierfür im letztem Frühwinter gestapelt und trocken gelagert, bereit. Meist Pappel. Nicht so hochwertig wie Birke, aber zu ernten direkt vor seiner Tür zu tausende.
Dann die großen Presspannplatten von den Fenstern herunter reißen, die Nägel nur so eben tief genug im letztem Jahr eingeschlagen, sodass es kaum Mühe für einen Mann alleine machte, das Licht ins Haus zu lassen.
Sobald es warm ist, Fenster auf und durchlüften.
Die stehende Winterluft, deren Kälte, ein paar Nächte, meist im Januar oder Februar bis minus 40, vielleicht 42, tötet alle Viren, Bakterien, Milben und nichts kleines, krankes und Übelkeit bringendes überlebt die Monate in diesen ungeheizten Wänden. Alles hat 2 Seiten, dies ist eine Gute.
Die Mäuse sicher verpackten Lebensmittel, Zucker , Spagetti, Instant Kaffee, Salz, Reis, ja alles noch da, und zum Glück, den vorher, beim ersten Einkauf vergessen, auch 3 Rollen Klopapier. Dazu kommt der bescheidene, weil immerhin 3 km rein zutragenden, von der yeararound road, eben soweit er fahren konnte, bis zu dem Anfang seines Weges, frische Lebensmittel Teil, 3 Bananen, 2 Äpfel, Toastbrot und Margarine, 5 Liter Trinkwasser, zu seinen 40 acres, das sind 16 Hektar, oder um es zu veranschaulichen 26 Fußballfelder große Grundstück.
Das beeindruckte in der alten Heimat. So konnten sich die Leute was vorstellen. 26 Fußballfelder !
Oder auch ein Quadrat von 400x400 Meter. Das ist das Gleiche und doch hört sich das irgendwie viel kleiner an. Deswegen sagte er immer 26 Fußballfelder.
Schon am 2tem Tag ist es gemütlich in seinem kleinen Königreich, indem er der alleinige Herrscher ist.
Am 3ten kann Mensch dann auch schon gezielter Aufarbeiten. Unter dem kleinem Waschbecken im Badezimmer, eingeschalt mit weiß gestrichenen, auf Maß gesägte Pressholzplatten, entdeckt er trockenes Gras, zusammen gedrückt zu einem Nest, zu groß für eine Maus, zu klein für einen Vielfraß, vielleicht von einem kleinem Marder, der sich im letztem Herbst durch das ca. 10cm durch messende Wasserabflussrohr drängte, um ein Winterschlaftplatz zu bauen, oder eben ein Eichhörnchen.
Das musste entsorgt werden. Nichts gegen kleine oder große Tiere. Der Kanadier an sich tötet so gut wie alles Lebendige was auf seinem Land sich blicken lässt. Es ist sein Land und die machen sowieso nur alles kaputt, beißen sich durch Rohre, Wände, scheißen überall hin, bringen Krankheiten ins Haus und überhaupt würde es ja schließlich über Hand nehmen und alles ging den Bach runter. Aber, er, er hatte die Barmherzigkeit der Kreatur gegenüber, verinnerlicht, von Deutschland mit über den Atlantik und über die Hälfte des nordamerikanischen Kontinents geschleppt, bis hier zu seinem Land und hier regierte er und bestimmte welches Tier starb und welches nicht. Und Getier, mit Fell oder Federn, im Garten ließ er gewähren, nur in den 4 Wänden hatten sie nichts zu suchen und so musste das Nest weg, bevor es wieder bewohnt wurde, bevor es zu spät für dessen Bewohner wurde ein neues, vom Haus weg,zu bauen.
Doch heute, heute beanspruchten ihn Freunde. Freunde die mit Allradantrieb an ihrem Pickuptruck ihn besuchten, bis hin zur seinem Haus fuhren und Bier und Rauchwaren mitbrachten.
Und am Tag danach hatte er das Nest, verborgen hinter den weißem Sichtschutz, vergessen.
Und eine Woche später passierte das ekelerregende, schreckliche, das Atem nehmende.
Denn irgendwann fiel es ihm doch wieder ein, da war doch was, ja richtig, eben das Heu durch das Rohr nach außen pressen, 5 Minuten höchstens. Ruck zuck kam die Platte ab. Ein Griff ins volle, ins Rohr damit, durchstechen, ja schon fiel es raus , ins Freie. Noch eine Handvoll, ah, da war was festeres, vielleicht getrocknete Marderscheiße ? Nein, er drückte drauf rum, versuchte durch den Tastsinn das etwas zu identifizieren. Mit dem Daumen fühlend, komisch, irgendwie Gummi artig.
Dann zog er es, auf dem Weg vom Gras säubernd, drückte noch ein bisschen, vorsichtig nach Stacheln prüfend, ans Licht und oh großer Gott, vor Schreck sprang er auf und ließ es ins Nest fallen. Ein nacktes, mit hässlichen dunkel lila Flecken, wo mal die Augen sein würden, ein embryonales kleines Würmchen, nein, ansatzweise konnte er auf diesen einen Blick kleine Beinchen und winzige Vorderläufe erkennen. Und es war ekelig warm. Es lebte oder zumindest bis gerade noch, bevor er es massiv massierte mit seinen groben Fingern.
Das erkennend ließ er es entsetzt fallen.
Es verschlug ihm regelrecht den Atem, schnell stolperte er nach draußen auf die Veranda, schnappte ein paar mal tief nach Luft und Gedankenfetzen rasen durch seinen Kopf. Habe ich es getötet, fest genug gedrückt habe ich bestimmt.
Vielleicht besser, haben nicht alle gesagt, und gerade bei Eichhörnchen, dem größtem Raubtier unter den Kleinen, die beißen doch allen Nachwuchs zu Tode, fressen die sogar dann noch, sobald sie irgendeinen fremden Geruch an ihrem Kleinen er schnuppern!
Und was jetzt ? Einfach ignorieren ? Klar, das ging schon, aber doch irgendwie keine Lösung.
Nach 5 Minuten hatte er sich soweit beruhigt um nachzusehen, sich dem Problem anzunähern.
Vorsichtig hebt er das Gras an, und ja, da war der kleine Körper, weiter tastend legt er noch Eins frei, dann ein weiteres, alle nackt und furchtbar hässlich, alle am leben, sich leicht bewegend. Kein Ton oder Geräusch von sich gebend. Sachte und sanft bastelt er das Nest wieder zurecht. Dann sehr ruhig und behutsam, mit ein wenig Gras schuppsend um keine verräterische Geruchsspuren an der faltigen Haut zu hinterlassen, platziert er die insgesamt 5 Körperchen in dessen Mitte.
Ein letzter Blick, scheint alles soweit ok, dann noch die Holzplatten als Abdeckung, die Nägel nicht mit dem Hammer einschlagend sondern nur ins weiche Holz eingedrückt.
Dann ist es geschafft. Was wird passieren. Kommt die Mutter zurück ? Und was wenn ? Frisst sie ihre Kinder auf ? Lässt sie sie einfach zurück, lässt sie verhungern oder etwaige anderen kleinen Raubtieren zum Opfer ? Spannung und schlechtes Gewissen, hätte er doch das trockene Gras sofort entsorgt.
Nach 2 Tagen lockert er ein Brett und im Taschenlampen Licht bewegt sich etwas. Zumindest hat Eins also auf alle Fälle überlebt ! Auch hört er, auf der Couch beim Fernseh schauen, ab und zu die Mutter von außen herein schlüpfen.
Einmal am Tag sieht er nach. Es sind mehrere, ja, fast ist er sicher, allen Fünfen geht es scheinbar gut. Bald schon wächst ihnen das Fell. Die Mutter hat sich auch an ihn gewöhnt, haut zwar ab, sobald er an der Verschalung zieht, kommt aber sehr schnell zurück, nachdem alles wieder auf seinem Platz ist. Und nach 3 Wochen wird es lauter. Kratzen, rascheln, Heu wird aufgewühlt, ab und zu ein kleines, hohes Piepsen.
Aha ! Sie üben das klettern. An den Holzplattenwänden unter der Spüle finden sie idealen Griff für ihre winzigen Krallen, rauf und runter, schon können sie es verdammt gut, und sehen dabei schon wie richtige Eichhörnchen aus.
Es kann nicht mehr lange dauern, bis sie in die große , weite Welt hinaus müssen, oder besser wollen. Diese kleine Welt hält sie nicht mehr. Wärme , Sicherheit, Fürsorge der Mammi, da draußen gibt es das nicht. Nur zu bleiben ist unmöglich, alle Ecken des bisherigen Heimes sind ausgelotet und bis zum letzten Winkel untersucht. Die Wände sind nicht mehr hoch genug, gerade in Schwung gekommen sind sie auch schon zu ende und es muss wieder runter und wieder hoch und wieder runter und hoch in einem irrsinnigem auf und ab und die Beinchen und Ärmchen rotieren von ganz alleine, kommen nicht zu Ruhe, nur raus raus, in die neue Welt ohne Grenzen. Was sollte sie auch abhalten, falls sie von den Gefahren wüssten, denn ihre Mutter kann sie nicht warnen, nicht erzählen von Tipps zum Überleben im Dschungel von der Urgroßmuttereichhörchen zur Großmuttereichhörchen weitergegeben.
Ach was solls, auch wenn es irgendwie doch funktionierte, geheimnisvolle Kommunikation, von Menschen nicht zu erkennen, durch Körpersprache, oder Schwingungen von esoterischen Wellen, auf Eichhörnchen Art, übermittelt, nein selbstverständlich müssten die Kleinen trotzdem hinaus in die ´da Draußen` ohne Deckel, auf den höchsten Baum, begrenzt nur durch den Himmel, und fressen und töten. Eier aus Vogelnester stehlen , knacken und das Gelbe und das Weiße auf schlecken.
Später im Frühjahr das gerade zu schlagen angefangene Herz des Blue Jays oder des Red Robins oder des einfachen kanadischem Spatzes zu zerreißen und das warme, nicht einmal zu festem Muskelmasse gewachsenem Fleisch gierig herunter zu schlingen.
Keine Frage, keine Wahl, keine Selbstbestimmung, nur den elektrischen Reizen folgend, eine Bewegung erzwingt die nächste, bis alle Energie dieser 24 Stunden aufgebraucht ist.
Auf den Tag genau nach 4 Wochen ist es soweit. Nur 7 Tage nach den ersten Kletterversuchen steigert sich das Getöse von unter dem Waschbecken.
Da bahnt sich was an, da passiert etwas. Richtig, da ist die Mutter draußen an der Hauswand hängend, kletternd und dahin huschend, und da ist tatsächlich eine kleinere Ausführung mit ihr, und noch eins, und noch eins. Sind denn schon alle aus dem Nest geflüchtet ?
Er schaut ein letztes mal ins Nest; leer und verlassen, aber nicht mit Scheiße verschmutzt, fast sauber.
Das Fenster im Bad ist das kleinste im Haus, es öffnet sich indem Mensch die untere Hälfte nach oben schiebt, über der oberen, da klickt es in die vorgesehene Halterungen, ohne diese fiele es wie ein Fallball auf jeden Hals der sich durch streckte, aber sie hielten und so steckte er seinen Kopf durch um den Abgang seiner Eichhörnchen Familie zu bezeugen. Aber nicht den direkten Strecke vom Haus weg schlagen sie ein sondern, auf Fensterhöhe, im 90 Grad Winkel zur Erde, und erst dann sieht er das fünfte und letzte, von der Mutter gedrängt das Haus an der Ecke zum ersten Mal verlassend und in den Busch verschwinden.
Aber was ist das ?
Sie hat ihn gehört, das Klicken der Fensterhalterungen, und dreht sich auf den Punkt und sieht seinen Kopf aus dem Haus lugend, verfolgend. Gerade da wo ihr allerwichtigstes zu diesen Jahreszeiten ist und springt laut und hoch und sehr aggressiv bellend auf ihn zu, legt blitzschnell 3 der 5 Meter die zwischen ihnen liegen zurück, auch diese Gefahr, scheint sie noch so groß, so groß wie ein schwarzer Bär, wird sie trotzen und ihren Nachwuchs bis zum Tode verteidigen. ´Das gibt es doch nicht` : ich werde von einen Eichhörnchen angegriffen, bevor er sich aber wirklich Sorgen ob dieser gewaltsamen Konfrontation machen muss, bleibt sie kurz zögernd stehen, ist es doch Angst vor dem eigenem Ende? Diese Übermacht kann nicht besiegt werden, Opfer müssen gebracht werden um den Bestand der Rasse zu sichern oder eben doch nachgezählt im kleinem Kopf, sowie Eichhörnchen halt zählen. Alle sind im Busch verschwunden, das Ende im Kampf wird für dieses Tier nicht heute kommen. Noch einmal sehr laut und sehr aggressiv bellend, sprintet es hinter seinen Kindern in den grünen Bush.


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